VORTRAG ZU VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN

Zusammen mit dem Bildungswerk Oberpfalz hatte die Evangelische Kirchengemeinde Hirschau vergangene Woche zu einem brandaktuellen Thema einen Themenabend auf die Beine gestellt. Pfarrer Stefan Fischer begrüßte als Referenten den Weltanschauungsbeauftragen des Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirks, Pfarrer Dr. Roland Kurz, der über das breite Phänomen der Verschwörungstheorien sprach, mit dem er sich ausführlich und intensiv auseinandergesetzt hatte.

Unter 2G Bedingungen hatte man aufgrund der Teilnehmerzahl den Vortrag mit Diskussion in die geräumigere Kirche verlegt.

Verschwörungstheorien seien, so Kurz, in gewisser Weise ein weltanschauliches und damit religiöses Phänomen. „Denken Sie nur an den Terroranschlag auf das World Trade Center.“ Wenn Dinge passieren, die man nicht einordnen oder verstehen kann, sucht man automatisch nach Antworten. Nach Sinn. Und irgendein Sinn ist immer noch besser als keine Sinndeutung. Daher verstehe er Verschwörungstheorien als „sinnlose Sinngebung“.

Er verwies dazu auf Umberto Eco: „Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie nicht etwa an nichts mehr, sondern an alles.“

Er brachte zahlreiche Beispiele: Ein ganz prominentes sei die Mondlandung. „Es gibt immer noch Menschen, die bestreiten, dass es sie gegeben hat, und glauben, alles sei inszeniert gewesen!“. Dass das damals im Wettlauf unterlegenen Russland aber Gegenteiliges über Jahrzehnte hin bis heute nicht definitiv beweisen hat können, sei aber ein deutlicher Beleg für die Tatsache, dass sie wirklich stattgefunden hat.

Letztlich gehen alle Verschwörungstheorien davon aus, dass eine andere Wahrheit sich hinter den offensichtlichen Dingen verberge und eine wie auch immer definierte Elite im Hintergrund die Fäden steuere. Nicht oft auch gepaart mit Antisemitismus. „Sie stehen immer an der roten Ampel? Oder der längsten Supermarktkasse? Dann ist das entweder nicht Ihr Tag, oder Sie sagen: Da steckt System dahinter. Da zieht jemand die Fäden und inszeniert das alles um Ihnen eines auszuwischen!“ So schnell entstehen Verschwörungstheorien, die den Anhänger positives zugestehen. Sie entlasten und bestärken. Die Fäden haben andere in der Hand und tragen für alles die Schuld und man selbst habe eine Erkenntnis, die anderen verborgen ist, ist also der Klügere. Das Weltbild dahinter erscheint oft deterministisch und kennt für alles einen einzigen Verursacher.

Schwarz-weiß-Denken ist ein weiteres Indiz: Es gibt nur die Schubladen gut und böse. Aus Verschwörersicht, gibt es oft nur zwei weitere Gruppen, denen Mitmenschen zuzuordnen werden: Diejenigen, die die Wahrheit noch nicht erkannt haben, weil sie gar noch nicht genug nachgedacht haben, die man überzeugen kann. Diese werden neutral wahrgenommen. Und die, die der eigenen Theorie nicht anhängen oder gar zum gegnerischen System gehören. Das kann schnell gefährlich werden. Das sehe man nicht zu Letzt am Sturm des Kapitols vor gut einem Jahr.

Die brennende Frage nicht weniger Anwesender: Wie damit umgehen? Gerade, wenn so etwas im eigenen Familien- oder Freundeskreis auftritt. In einem Anfangsstadium kann man noch diskutieren und Fragen stellen, die das Gegenüber zum Nachdenken bringen, so Kurz. „Woher hast du das?“. „Was sind deine Quellen?“. Irgendwann ist dies aber nicht mehr möglich. Wer dagegen argumentiert wird als Feind wahrgenommen. Daher scheint es dann eher als sinnvoll, klar zu markieren: „Über dieses Thema rede ich nicht mit dir“- Aber nie die Verbindung zu Menschen abreißen zu lassen, die einer Verschwörungstheorie anhängen und am Herzen liegen. „aber als Mensch schätze ich dich und möchte den Kontakt halten!“ Auch, wenn das anstrengend werden kann und frustrierend.

Der immens dichte Vortrag war doch nicht weniger anschaulich und kurzweilig, da Kurz immer wieder auch Diskussionen ermöglichte und Erfahrungen und Fragen breiten Raum gegeben hat.

„Ihre Beiträge und auch das große Interesse heute zeigt mir, dass es ein Thema ist, das betrifft!“. So Fischer, der sich beim Referenten mit Schnaittenbacher Spezialitäten bedankte. Die Teilnehmenden mit Applaus.