DAS DEKANT ZU GAST IN HIRSCHAU

Eine weiße Flagge mit violettem Kreuz ziert den Marktplatz - die Kirchenfahne der Evangelischen Kirche. Aus allen Richtungen strömen Menschen mit Blasinstrumenten herbei und stimmen fröhliche, bekannte und moderne und wohlvertraute Klänge an. Gut 50 Bläserinnen und Bläser aus insgesamt 15 Posaunenchören des evangelischen Dekanatsbezirks Sulzbach-Rosenberg sind am Sonntag Nachmittag bei bestem Sommerwetter im Schatten des Rathauses zusammengekommen und bringen einen musikalischen Gruß. Das zweitgröte Dekanat des Kirchenkreises reicht von Königstein im Norden bis Oberviechtach im Osten und verbindet so Mittelfranken mit der Tschechischen Republik. 

Die Klänge des Einblasens lockten zahlreiche Hinschauer auf den Marktplatz.

Bis 16 Uhr waren die aufgestellten Bänke nahezu restlos gefüllt mit Einheimischen und Gästen - von jung bis alt. An den Hausfassaden und hinter geöffneten Fenstern sammelten sich viele Zaungäste. Vorbeikommende blie

ben spontan stehen und verweilten bei den zu ergreifenden Klängen, die den ganzen Raum mit ihrem Hall füllten. 

Traditionell kommen alle Posaunenchöre an einem Sonntag im Frühjahr zusammen und geben ein Open-Air-Konzert an verschiedenen Orten im Dekanat. Auch geistlichen Impulse sind dabei vorgesehen. Gut eineinhalb Stunden dauerte die kurzweilige Veranstaltung, die Pfarrer Stefan Fischer in Absprache mit den Dekanatsverantwortlichen nach über 40 Jahren einmal wieder nach Hirschau geholt hatte. Mit dem bekannten Marsch aus "Pomp and Circumstands" von Edward Elgar begann das Frühlingsblasen.

Herzlich willkommen in der UNESCO-Kulturerbe Stadt Hirschau. Zumindest für die kommende knappe Stunde. (Pfarrer Stefan Fischer)

Bei seiner Begrüßung hieß Pfarrer Fischer die Bläserinnen und Bläser herzlich willkommen, die seit 2016 auf der Liste der immateriellen UNESCO-Kulturerbe verzeichnet sind. Daher sei es nicht falsch, wenn man Hirschau - zumindest für die kommende gute Stunde - als Kulturerbsstadt betitelt. Ein großer Dank ging an die Stadt Hirschau und Bürgermeister Falk, der offene Türen für diese Idee hatte, die Bewerbung und Organisation mit übernahm.

Posaunenchorobmann Dr. Ulrich Siebenbürger stellte das Ensemble und die Tradition kurz vor und bedanke sich für die Einladung ins Tal der weißen Erde. Bürgermeister Hermann Falk freute sich über diesen Besuch und lobte das Engagement der Evangelischen Kirchengemeinde und ihres Pfarrers vor Ort, die das Leben der Stadt mit vielfältigen Veranstaltungen bereichert. "Die Evangelischen zeigen heute Flagge. Pfarrer Fischer hat sie uns geschenkt und wenn nötig, werden wie sie wieder hissen!" Auch der katholische Pfarrer, Hans Peter Bergmann, sprach ein kurzes Grußwort für die Ökumene. „Heute bläst ein guter Geist“, betonte er.

Gekonnt und charmant führte der Leiter und Dirigent der Vereinigten Posaunenchöre, Kurt Lehnerer aus Sulzbach-Rosenberg, durch das vielfältige und bunte Programm. Es erklangen nicht nur Kirchenlieder. Doch auch die hatten ihren Platz. Es war eine besondere Atmosphäre, als die Anwesenden gemeinsam in altvertraute Choräle einstimmen, wie "Großer Gott, wir loben dich" und "Lobet den Herren, den mächtigen König" anhob.

Volkslieder und Bekannte Evergreens, wie "Über den Wolken" von Reinhard Mey und "Yesterday" von John Lennon regten zu "Bravo"-Rufen im Publikum an. Aber auch neues geistliches Liedgut wurde präsentiert, darunter Stücke von Jens Uhlendorf, geboren 1987, und des Amerikaners Richard Robbe, der bis 2009 den Lehrstuhl für Jazz und Big Band an der Hochschule für Musik in Würzburg inne hatte und heute in Unterfranken lebt. 

Für die Dargebotene Musikauswahl, die Kurz Lehnerer mit dem Ensemble präsentierte, zollte das Publikum reichhaltigen Applaus nach jedem Stück. Applaus gab es aber auch für die Predigt von Dekan Karlhermann Schötz, der ein Anlehung an die schmerzliche Geschichte des 30jährigen Krieges begann mit: "Die Protestanten sind da, und niemand fürchtet sich!" Dass heute am Marktplatz Volkslieder erklingen, sei nichts ungewöhnliches. Luther hat seine Botschaft mit Melodien bekannter Volkslieder vertont. So auch der bekannte "Kassenschlager" der Reformation "Nun freut euch, liebe Christen gmein", sei auf die Melodie eines bekannten Liebesliedes gedichtet worden. Er verwies die öffentlichen Diskussionen anlässlich der Freiburger Studie, die immer wieder vom "Niedergang der Kirche und des Glaubens" reden machen. "Aber, wer einmal einen Blick in die volkstümliche Musik tut, merkt, da wird viel von Gott und Glauben gesprochen". Er zählte einige Interpreten und Titel auf, darunter Florian Silbereisen, Bianca, das Naabtalduo, Stefanie Hertel und viele mehr.

Da frage ich mich, warum so viele Menschen der Kirche den Rücken zudrehen und austreten. Ich sagen all denen: Stellen Sie sich doch unser Land einem ohne die Kirchen und all dem, was dazugehört vor. Ohne kirchliche Kindergärten, ohne Caritas und Diakonie, ohne Kirchtürme. Wollen wir so ein Land wirklich haben? (Dekan Karlhermann Schötz)

Er verwies auf die biblische Überlieferung, dass Posaunen Mauern zum Einsturz brachten, und versicherte dem Bürgermeister, dass dieses Mal die alten Mauern stehen blieben. Es sei Musik, die verbinde, Brücken baue und es schaffe verschiedenste Menschen zusammenzubringen. Wenn, dann fielen heute Mauern in den Herzen. 

Was heute erlebt, ist die Vision, die der Dekan für die Kirche hegt. Kirche soll offen sein, dort hingehen, wo die Menschen sind, und sich nicht hinter Mauern verschanzen.

Nach einem gemeinsamen Vaterunser sprach Fischer den Segen und als Schlussstück stimmte der Chor in das Lob Gottes ein. Gloria sei dir gesungen. Danach erhoben sie ihre Instrumente zum Gruß.